Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Urheberrecht, im Immaterialgüterrecht und im Wettbewerbsrecht gibt keinen Freibrief für künftige Rechtsverletzungen

a) Die einzelnen Bilder eines Films sind unabhängig vom Schutz des Films als Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt. Der Lichtbildschutz einzelner Filmbilder aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf die Verwertung der Bilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwer-tung der Bilder in Form des Films.

b) Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Urheberrecht wie auch sonst im Immaterialgüterrecht und im Wettbewerbsrecht allein, dass der Rechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete bereits be-gangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzuset-zen vermag; ein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ist damit nicht ver-bunden (Anschluss an BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 = WRP 2012, 1104 – Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 188/11, GRUR 2013, 1161 = WRP 2013, 1465 – Hard Rock Cafe [zur Veröffentl. in BGHZ bestimmt]; Fortführung von BGH, Urteil vom 30. Juni 1976 I ZR 63/75, BGHZ 67, 56 – Schmalfilmrechte).

c) Verhält sich ein Rechtsinhaber gegenüber Zuwiderhandlungen gegen seine Rechte längere Zeit untätig, obwohl er den Verletzungstatbestand kannte oder doch kennen musste, können dadurch allenfalls diejenigen Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt werden, die bis zu einer Abmahnung des Verletzers durch den Rechtsinhaber entstanden wa-ren; nach einer Abmahnung durch den Verletzten muss der Verletzer wieder damit rechnen, wegen künftiger Verletzungshandlungen auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich in Anspruch genommen zu werden (Bestäti-gung von BGH, Urteil vom 15. November 1957 – I ZR 83/56, BGHZ 26, 52 Sherlock Holmes; BGHZ 67, 56 – Schmalfilmrechte).

d) Eine Abkürzung der für Ansprüche wegen Verletzung eines nach dem Urhe-berrechtsgesetz geschützten Rechts oder wegen Eingriffs in den Zuwei-sungsgehalt eines solchen Rechts gemäß § 102 Satz 1 UrhG, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB geltenden dreijährigen Verjährungsfrist durch Verwirkung kann nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 EnZR 23/09, NJW 2011, 212 – Stromnetznut-zungsentgelt IV; Urteil vom 11. Oktober 2012 – VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569; Urteil vom 29. Januar 2013 – EnZR 16/12, juris Rn. 13).

BGH URTEIL I ZR 86/12 Peter Fechter

UWG § 72; BGB § 242 Cc

BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 – I ZR 86/12 – KG Berlin

LG Berlin

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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. März 2012 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit auf-gehoben, als hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs (Antrag zu 1) und soweit hinsichtlich der Ansprüche auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2), Wertersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3), die sich auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorgenommen worden sind, zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger nehmen die beklagte Rundfunkanstalt wegen einer nach ihrer Ansicht erfolgten Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte an einer von dem Kameramann H. E. am 17. August 1962 gefertigten Filmaufnahme

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auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch; darüber hinaus beantra-gen sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz und zur Erlösherausgabe.

H. E. hatte am 17. August 1962 von der Westberliner Seite der Berliner Mauer aus das Sterben und den Abtransport von Peter Fechter gefilmt, der bei seinem Fluchtversuch aus der damaligen DDR von Soldaten der Natio-nalen Volksarmee an der Ostberliner Seite der Berliner Mauer nahe des soge-nannten Checkpoint Charlie angeschossen worden war. Er hat den Klägern mit Vereinbarung vom 22. April 2010 rückwirkend auf den Tag der Filmaufnahme die ausschließlichen Nutzungsrechte am Filmmaterial und das Recht einge-räumt, Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatz und Bereicherungsausgleich im eigenen Namen geltend zu machen und einzukla-gen.

Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe diese Aufnahmen unter anderem am 13. August 2010 in der Berliner Abendschau in einem Filmbeitrag gesendet. Sie habe die Filmaufnahmen darüber hinaus auf ihrer Internetseite zum Abruf zur Verfügung gestellt. Die Kläger haben die Beklagte wegen der Nutzung des Filmmaterials mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt.

Die Kläger haben mit ihrer – der Beklagten am 4. November 2011 zuge-stellten – Klage beantragt,

1. der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, die Film-aufnahmen über den Abtransport des am 17. August 1962 angeschossenen Peter Fechter an der Berliner Mauer nahe dem sogenannten Checkpoint Charlie wie ersichtlich aus den Standbildern nach Anlage K 1 zu vervielfälti-gen, öffentlich zugänglich zu machen oder im Fernsehrundfunk zu senden;

2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Handlungen nach Ziffer 1 in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung zu erteilen und dabei Auskunft darüber zu erteilen, welche einzelnen Vervielfältigungs- und Sendehandlun-

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gen vorgenommen wurden sowie ob die Filmaufnahmen an Dritte weiterge-geben wurden und welche Erlöse hierdurch erzielt wurden;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Wertersatz für sämtliche Handlungen nach Antrag 1 in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung zu leisten sowie die erzielten Erlöse aus der Verwertung der Filmaufnahmen nach Anlage K 1 an die Kläger abzuführen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie behauptet, der Abtransport Peter Fechters sei nicht nur von H. E. , sondern auch von dem Kame- ramann H. S. gefilmt worden. Die von ihr ausgestrahlte Filmaufnahme habe nicht H. E. , sondern H. S. angefertigt. Darüber hinaus habe H. E. die ausschließlichen Nutzungsrechte an seinem Filmmateri- al bereits im Jahr 1962 H. S. eingeräumt und habe sie daher im Jahr 2010 nicht mehr den Klägern einräumen können. Die mit der Klage geltend ge-machten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt. H. E. habe fast fünfzig Jahre lang keine Ansprüche an den Filmaufnahmen geltend gemacht, obwohl derartige Aufnahmen hundertfach gesendet worden seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (KG, ZUM-RD 2012, 321). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revisi-on, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Kla-geanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachten An-sprüche seien unbegründet, weil sie jedenfalls verwirkt seien. Dazu hat es aus-geführt:

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Die in Rede stehende Filmaufnahme sei nicht als Filmwerk und die ein-zelnen Filmbilder seien auch nicht als Lichtbildwerke urheberrechtlich ge-schützt, da es sich lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um per-sönliche geistige Schöpfungen handele. An der Filmaufnahme bestehe auch kein Leistungsschutzrecht für Laufbilder, weil die Filmaufnahmen vor dem In-krafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 geschaffen worden seien und Laufbilder zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt ge-wesen seien.

Es könne offenbleiben, ob das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG das Recht zur Verwertung der einzelnen Filmbilder in Form des Films umfasse. Selbst wenn ein solches Recht bestün-de, seien Unterlassungsansprüche des H. E. gegen die Beklagte we- gen einer Verletzung dieses Rechts jedenfalls verwirkt; das müssten sich auch die Kläger – sofern H. E. die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Filmmaterial auf sie übertragen habe – von der Beklagten entgegenhalten las-sen. Desgleichen seien Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsaus-gleich verwirkt und entsprechende Leistungsansprüche vorbereitende Aus-kunftsansprüche daher unbegründet.

B. Die Revision der Kläger hat Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht den erhobenen Unterlassungsanspruch (Antrag zu 1) als unbegründet erachtet hat (dazu I). Soweit das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2), Wertersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3) verneint hat, ist die Revision begründet, soweit sich diese Ansprüche auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorgenommen worden sind (dazu II).

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I. Der von den Klägern geltend gemachte Unterlassungsanspruch (An-trag zu 1) kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden; das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der von der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin in der Vergangenheit ausgestrahlte Film vom Sterben Peter Fechters von H. E. aufgenommen worden ist. Es hat gleichfalls offengelassen, ob gegebenenfalls H. E. den Klägern die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Filmmaterial einräumen konnte und dem keine frühere Einräumung dieser Rechte durch H. E. an H. S. entgegenstand. Für die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist zugunsten der Kläger davon auszugehen, dass diese Fragen zu bejahen sind.

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die in Rede stehende Film-aufnahme sei nicht als Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) und die einzelnen Filmbilder seien auch nicht als Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) urheber-rechtlich geschützt, da es sich lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) handele. An der Filmaufnahme bestehe auch kein Leistungsschutzrecht für Laufbilder (§§ 95, 94 UrhG), da die Filmaufnahmen vor Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 geschaffen worden seien und Laufbilder zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt gewesen seien (§ 129 Abs. 1 UrhG). Gegen diese Beurteilung hat die Revision keine Rügen erhoben; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Das Berufungsgericht hat ferner offengelassen, ob das an den einzel-nen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG das Recht zur

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Verwertung der einzelnen Filmbilder in Form des Films umfasst. Es hat ange-nommen, selbst wenn ein solches Recht bestünde, seien Unterlassungsan-sprüche (§ 97 Abs. 1 UrhG) von H. E. gegen die Beklagte wegen der Verletzung dieses Rechts jedenfalls verwirkt (§ 242 BGB); das müssten sich auch die Kläger – für den Fall, dass H. E. die ausschließlichen Nut- zungsrechte an dem Filmmaterial auf sie übertragen habe – von der Beklagten entgegenhalten lassen (§§ 413, 404 BGB). Mit dieser Begründung kann der von den Klägern erhobene Unterlassungsanspruch nicht verneint werden.

a) Wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, ist Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB im Immaterialgüterrecht al-lein, dass ein Schutzrechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte kon-krete bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag; ein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ist damit nicht verbunden (BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 Rn. 23 = WRP 2012, 1104 – Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 I ZR 188/11, GRUR 2013, 1161 Rn. 21 und 79 = WRP 2013, 1465 Hard Rock Café [zur Veröffentl. in BGHZ bestimmt]). Die Entscheidungen des Senats sind zwar zum Marken- und Wettbewerbsrecht ergangen; die dort aufgestellten Grundsätze zur Verwirkung gelten jedoch auch im Urheberrecht.

Wiederholte gleichartige Urheberrechtsverletzungen, die zeitlich unter-brochen auftreten, lösen danach jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch aus und lassen die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maß-gebliche Frist jeweils neu beginnen. Auch längere Untätigkeit des Rechtsinha-bers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen des Rechtsverletzers begründen, der Rechtsinhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen solche – je-weils neuen – Rechtsverletzungen vorgehen. Der Verwirkungseinwand, der auf

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einen im Vertrauen auf die Benutzungsberechtigung geschaffenen schutzwür-digen Besitzstand gegründet ist, darf nicht dazu führen, dass dem Benutzer ei-ne zusätzliche Rechtsposition eingeräumt wird und die Rechte des nach Treu und Glauben nur ausnahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers über diese Grenzen hinaus erweitert werden (vgl. BGH, GRUR 2012, 928 Rn. 22 f. – Honda-Grauimport). Andernfalls würde die Verwir-kung im Ergebnis das urheberrechtliche Nutzungsrecht selbst ergreifen, obwohl sie regelmäßig nur die aus der Urheberrechtsverletzung entstandenen Ansprü-che ergreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1976 – I ZR 63/75, BGHZ 67, 56, 67 f. – Schmalfilmrechte).

b) Die vom Unterlassungsantrag der Kläger umfasste Verletzungsform ist das ohne ihre Zustimmung erfolgende Vervielfältigen, Öffentlich-Zugänglich-machen oder Senden der aus den vorgelegten Standbildern ersichtlichen Film-aufnahmen über den Abtransport des am 17. August 1962 angeschossenen Peter Fechter an der Berliner Mauer nahe dem sogenannten Checkpoint Char-lie. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist hat daher mit jedem Vervielfältigen, Öffentlich-Zugänglichmachen oder Senden dieser Filmaufnahmen neu zu laufen begonnen. Die Kläger haben die Beklagte unter anderem wegen des angeblichen Sendens dieser Aufnahmen am 13. August 2010 bereits mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt. Un-abhängig von den sonstigen Einzelumständen des Streitfalls kommt schon mangels eines relevanten Zeitmoments eine Verwirkung des von den Klägern geltend gemachten, allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.

4. Die Abweisung des Unterlassungsantrags stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht verletzt hat (dazu a). Es

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kann auch nicht angenommen werden, dass die für einen Unterlassungsan-spruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist (dazu b).

a) Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob Leistungs-schutzrechte an Filmeinzelbildern nach § 72 UrhG das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfassen. Diese Frage ist zu bejahen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beklagte durch das Senden des Films am 13. August 2010 das urheberrechtlich geschützte Recht des Klägers an den Filmbildern verletzt hat.

aa) Die Einzelbilder eines Filmes sind unabhängig vom Schutz des Fil-mes als Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 72 Rn. 5). Vor dem Inkrafttre-ten des Urheberrechtsgesetzes geschaffene Filmeinzelbilder genießen gemäß § 129 Abs. 1 UrhG den gleichen Schutz wie danach geschaffene, da Werke der Fotografie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes nach §§ 1, 3, 15 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9. Januar 1907 (Kunst-Urhebergesetz – KUG) urheberrechtlich geschützt waren.

bb) Der Lichtbildschutz aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf die Verwertung der Einzelbilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwer-tung der Einzelbilder in Form des Films.

Das folgt zum einen daraus, dass jede urheberrechtliche Nutzung der Bildfolge zwangsläufig eine urheberrechtliche Nutzung der einzelnen Bilder um-fasst. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Bilder – wie die Beklagte gel-tend macht – bei einer Ausstrahlung des Films nicht als einzelne Bilder sinnlich wahrnehmbar sein mögen. Es ergibt sich zum anderen daraus, dass der Film-

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hersteller zur filmischen Verwertung der bei Herstellung eines Filmwerks ent-stehenden Lichtbilder und Lichtbildwerke die Rechte des Lichtbildners benötigt (§ 89 Abs. 4 UrhG, § 91 UrhG aF; zum Begriff der „filmischen Verwertung“ vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 – I ZR 128/07, GRUR 2010, 620 Rn. 15 bis 18 = WRP 2010, 933 – Film-Einzelbilder). Dieser Rechte bedürfte er nicht, wenn der Lichtbildschutz nicht das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfasste (vgl. Schulze, GRUR 1994, 855, 860 mwN).

Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, damit werde über den Leis-tungsschutz an Filmeinzelbildern ein Schutz für Laufbilder erreicht, der zur Zeit der Entstehung des hier in Rede stehenden Films noch nicht bestanden habe. Die Bestimmung des § 95 UrhG begründet für Laufbilder einen Leistungsschutz des Filmherstellers und nicht einen Leistungsschutz der Filmurheber; geschützt wird die wirtschaftliche und organisatorische Leistung des Filmherstellers und nicht die gegenüber der schöpferischen Leistung des Urhebers eines Filmwerks weniger schöpferische Leistung des Urhebers von Laufbildern (vgl. Katzenber-ger in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 95 UrhG Rn. 3; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 95 Rn. 2). Soweit der Leistungsschutz an Filmeinzel-bildern aus § 72 UrhG mittelbar zu einem Schutz des Films führt, handelt es sich nicht um einen Schutz der wirtschaftlichen und organisatorischen Leistung des Filmherstellers; geschützt wird vielmehr allein die gegenüber der schöpferi-schen Leistung des Urhebers eines Lichtbildwerkes weniger schöpferische Leistung des Lichtbildners (vgl. zum Verhältnis des Leistungsschutzes an Fern-sehsendungen zum Leistungsschutz an einzelnen Bildern der Sendung BGH, Beschluss vom 27. Februar 1962 – I ZR 118/60, BGHZ 37, 1, 10 – AKI).

b) Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann auch nicht angenommen werden, die für den geltend gemachten Unterlassungsan-spruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei entfallen, weil das an den einzel-

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nen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG am 31. Dezember 2012 erloschen sei.

aa) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn die Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch noch besteht. Durch eine begangene Rechtsverletzung wird eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet, die regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 33 = WRP 2008, 1449 – Clone-CD). Die durch die begangene Verletzung eines Schutzrechts begründete tatsächliche Vermutung für die Gefahr einer erneuten Verletzung dieses Schutzrechts ist aber auch dann ausgeräumt, wenn dessen Schutzfrist abgelaufen ist. Eine solche Veränderung des Rechtsbestands eines Schutzrechts ist in der Revisionsinstanz auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ein-getreten ist (vgl. zum Markenrecht BGH, Urteil vom 24. Februar 2000 I ZR 168/97, GRUR 2000, 1028, 1030 = WRP 2000, 1148 – Ballermann, mwN).

bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG am 31. Dezember 2012 erloschen wäre, wenn diese Filmbilder bereits am 17. August 1962 – dem Tag ihrer Aufnahme – erschienen wären.

(1) Die am 17. August 1962 aufgenommenen Filmeinzelbilder waren ge-mäß §§ 1, 3, 15 KUG urheberrechtlich als Werke der Fotografie geschützt.

(2) Der Schutz von Werken der Fotografie endete nach der damals maß-geblichen Fassung des § 26 KUG grundsätzlich mit dem Ablauf von 25 Jahren

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seit dem Erscheinen des Werkes (§ 26 Satz 1 KUG) und für den Fall, dass das Werk bis zum Tod des Urhebers noch nicht erschienen war, mit dem Ablauf von 25 Jahren seit dem Tod des Urhebers (§ 26 Satz 2 KUG).

(3) Durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder, die Do-kumente der Zeitgeschichte sind, auf 50 Jahre nach dem Erscheinen des Licht-bilds und für den Fall, dass das Lichtbild innerhalb von 50 Jahren nach seiner Herstellung nicht erschienen war, auf 50 Jahre nach der Herstellung des Licht-bildes verlängert (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 UrhG [1985]). Zugleich wurde bestimmt, dass die Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das für den Beginn der Frist maßgebliche Ereignis eingetreten ist (§ 72 Abs. 3 Satz 2, § 69 UrhG [1985]).

Diese Regelung ist auf die hier in Rede stehenden Lichtbilder anwend-bar. Zum einen ist die Schutzfristverlängerung in entsprechender Anwendung der unmittelbar für Lichtbildwerke geltenden Übergangsregelung des § 137a Abs. 1 UrhG auch auf Lichtbilder anzuwenden, deren Schutzdauer am 1. Juli 1985 nach dem bis dahin geltenden Recht noch nicht abgelaufen war (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1990, 717, 720; Katzenberger in Schricker/Loewenheim aaO § 137a UrhG Rn. 4); die 25-jährige Schutzdauer der am 17. August 1962 auf-genommenen Filmeinzelbilder war am 1. Juli 1985 selbst dann nicht abgelau-fen, wenn sie bereits mit dem Tag der Aufnahme begonnen hat. Zum anderen handelt es sich bei diesen Lichtbildern um Dokumente der Zeitgeschichte, da sie eine historisch bedeutsame Situation wiedergeben (vgl. dazu OLG Ham-burg, GRUR 1990, 717, 719 f.; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 35).

(4) Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder mit Wirkung zum 1. Juli

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1995 abermals neu geregelt. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG erlischt das Schutzrecht nunmehr 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits 50 Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb die-ser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist.

Für Lichtbilder, die – wie die hier in Rede stehenden – vor dem 1. Juli 1995 geschaffen worden sind, gilt die Regelung, dass die Schutzfrist bereits mit der ersten erlaubten öffentlichen Wiedergabe beginnt, wenn diese vor dem Er-scheinen erfolgte, allerdings erst seit dem 1. Juli 1995 (vgl. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 37). Ansonsten würde die Schutzdauer vorher entstan-dener Rechte verkürzt, was der Übergangsregelung des § 137f Abs. 1 Satz 1 UrhG widerspräche.

cc) Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann ent-gegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass die Lichtbilder bereits am 17. August 1962 erschienen sind und ihr Schutz daher nach § 72 Abs. 3 UrhG, § 69 UrhG am 31. Dezember 2012 geendet hat.

(1) Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist ein Werk erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.

(2) Das Erscheinen eines Lichtbildes setzt danach voraus, dass das Lichtbild in körperlicher Form – etwa als Abzug – an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 37); auch die Eingabe digitalisier-ter Bilder in elektronische Bildarchive kann danach als Erscheinen einzustufen sein (vgl. Maaßen, ZUM 1992, 338, 342 f.). Die Veröffentlichung eines Lichtbil-

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des in unkörperlicher Form – beispielsweise durch Sendung – genügt dagegen nicht.

(3) Die Lichtbilder sind danach – anders als das Landgericht und ihm fol-gend das Berufungsgericht wohl angenommen haben – nicht dadurch erschie-nen, dass der Film noch am Tag seiner Aufnahme am 17. August 1962 gesen-det wurde. Es sind bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und gege-benenfalls wann die Lichtbilder innerhalb von 50 Jahren nach ihrer Herstellung am 17. August 1962 erschienen sind. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob ihre 50-jährige Schutzfrist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz am 18. September 2013 abgelaufen war.

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, Ansprüche auf Schadenser-satz (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Bereicherungsausgleich (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 1 und 2 BGB) seien gleichfalls verwirkt und entsprechende Leistungsansprüche vorbereitende Auskunftsansprüche daher unbegründet. Die Kläger machen solche Ansprüche in Bezug auf Handlungen des Vervielfäl-tigens, des Öffentlich-Zugänglichmachens und des Sendens in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung geltend. Da die Klage am 4. November 2011 zuge-stellt worden ist, beziehen sich diese Ansprüche demnach auf Handlungen im Zeitraum vom 3. November 2001 bis zum 3. November 2011. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, diese Ansprüche seien nicht begründet, hält der rechtli-chen Nachprüfung nur insoweit stand, als diese sich auf Handlungen im Zeit-raum vom 3. November 2001 bis zum 31. Dezember 2007 beziehen, nicht aber, soweit sie Handlungen im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 betreffen.

1. Die Verwirkung schließt als ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Nach der

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ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeit-moment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment; vgl. BGHZ 67, 56, 67 – Schmalfilmrechte; Urteil vom 13. Februar 1981 – I ZR 43/79, GRUR 1981, 652, 653 – Stühle und Tische; Urteil vom 21. Februar 2012 – VIII ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1227 Rn. 4; Urteil vom 19. Juni 2012 – II ZR 241/10, WM 2012, 1686 Rn. 22; Urteil vom 29. Januar 2013 – EnZR 16/12, juris Rn. 13).

2. Das Berufungsgericht hat für das Zeitmoment der von ihm angenom-menen Verwirkung auf den gesamten Zeitraum von rund 48 Jahren abgestellt, während dessen die nunmehr gerichtlich verfolgten Ansprüche nicht geltend ge-macht worden seien.

Die im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Ansprüche auf Wertersatz und Erlösherausgabe sind allerdings – wie ausgeführt – allein auf Verletzungs-handlungen im Zeitraum vom 3. November 2001 bis zum 3. November 2011 gestützt. Da die Kläger die Beklagte wegen derartiger Verletzungshandlungen mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt haben, sind die nunmehr ge-richtlich verfolgten Ansprüche lediglich während eines Zeitraums von längstens rund neun Jahren nicht geltend gemacht worden.

Das Berufungsgericht wollte mit seiner missverständlichen Formulierung aber offensichtlich darauf abstellen, dass der Rechtsinhaber zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Verletzungshandlungen während eines Zeitraums von we-nigstens rund 48 Jahren wegen gleichartiger Verletzungshandlungen keine An-sprüche auf Unterlassung, Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich gel-tend gemacht hatte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die

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Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin die Filmsequenz in den ersten 20 bis 30 Jahren nach der Erstausstrahlung mehr als 100 Mal gesendet, ohne dass H. E. dagegen vorgegangen ist.

Soweit es die Frage der Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich angeht, hat das Berufungsge-richt für das Zeitmoment der Verwirkung ohne Rechtsfehler auf diese Zeitspan-ne von rund 48 Jahren abgestellt. Zwar lösen wiederholte gleichartige Urheber-rechtsverletzungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, jeweils neue Ansprüche nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Schadensersatz und Bereiche-rungsausgleich aus. Der Grundsatz, dass mit jeder wiederholten gleichartigen Urheberrechtsverletzung die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Ver-wirkung maßgebliche Frist jeweils neu zu laufen beginnt (vgl. oben Rn. 15 f.), gilt allerdings nur für den Unterlassungsanspruch. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung eines Anspruchs auf Schadensersatz oder Berei-cherungsausgleich maßgebliche Frist kann bei wiederholten gleichartigen Ver-letzungshandlungen dagegen mit der ersten Verletzungshandlung beginnen. Eine längere Untätigkeit des Rechtsinhabers gegenüber bestimmten gleicharti-gen Verletzungshandlungen kann zwar kein berechtigtes Vertrauen des Rechts-verletzers begründen, der Rechtsinhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen solche – jeweils neuen – Rechtsverletzungen vor-gehen (vgl. oben Rn. 16). Sie kann aber ein berechtigtes Vertrauen des Rechts-verletzers begründen, der Rechtsinhaber werde wegen bereits eingetretener und von ihm geduldeter Rechtsverletzungen im Nachhinein keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich mehr geltend machen.

3. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Umstandsmoments der Verwirkung angenommen, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe durch Dispositionen zugunsten von E. W. einen ausreichenden Besitz-

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stand geschaffen. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte in einem von E. W. gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten, den Sender Freies Berlin, geführten Rechtsstreit mit Urteil vom 15. August 1996 rechtskräftig fest-gestellt, dass E. W. die ausschließlichen inländischen Nutzungs- rechte an der Filmsequenz zustehen. E. W. hatte geltend gemacht, er habe diese Rechte von H. S. erworben. Der anschließende Scha- densersatzprozess vor dem Landgericht Berlin hatte am 30. März 1999 mit ei-nem Vergleich geendet. Darin hatte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet, E. W. 500.000 DM zu zahlen; mit Zahlung dieses Be- trages sollten auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Filmsequenz sämtli-che Nutzungen durch sie in der Vergangenheit abgegolten sein und sollte ihr für die Zukunft eine begrenzte Nutzungsberechtigung eingeräumt werden.

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Senatsentscheidung „Stühle und Tische“ (BGH, GRUR 1981, 652) liege unausgesprochen der Rechtssatz zugrunde, dass rechtsverletzende Umsätze in Höhe von 1% des jährlichen Ge-samtumsatzes für die Begründung eines wertvollen Besitzstandes als notwen-dige Voraussetzung einer Verwirkung urheberrechtlicher Ansprüche nicht aus-reichten. Der an E. W. bezüglich der Filmsequenz gezahlte Ver- gleichsbetrag in Höhe von 500.000 DM reiche danach für die Begründung eines wertvollen Besitzstands der Beklagten nicht aus, weil dieser Betrag im Ver-gleich zum Jahresbudget der Beklagten und schon allein unter Berücksichti-gung des Jahresgehalts ihrer Intendantin von 220.000 € als Marginalie erschei-ne.

Aus der Senatsentscheidung „Stühle und Tische“ lässt sich der von der Revision formulierte Rechtssatz nicht ableiten. Der Senat hat Umsätze, die le-diglich 1% des jährlichen Gesamtumsatzes eines Verletzers ausmachten, allein unter den in jenem Streitfall vorliegenden Umständen – und nicht etwa generell –

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für nicht ausreichend erachtet, um den für eine Verwirkung der geltend gemach-ten Unterlassungsansprüche erforderlichen wertvollen Besitzstand des Verlet-zers zu begründen (BGH, GRUR 1981, 652, 653 – Stühle und Tische).

Darüber hinaus setzt die Verwirkung von Ansprüchen auf Schadenser-satz oder Bereicherungsausgleich nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs keinen schutzwürdigen Besitzstand voraus, wie er für die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs erforderlich ist. Voraussetzung ist vielmehr al-lein, dass der Schuldner auf Grund eines hinreichend lange dauernden Dul-dungsverhaltens des Rechtsinhabers darauf vertrauen durfte, dieser werde nicht mehr mit Zahlungsansprüchen wegen solcher Handlungen an ihn heran-treten, die er auf Grund des geweckten Duldungsanscheins vorgenommen hat. Statt eines Besitzstands im Sinne der sachlich-wirtschaftlichen Basis für die künftige wirtschaftliche Betätigung des Verletzers, wie er für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch entscheidend ist, genügt es, wenn der Schuldner sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen darauf eingerichtet hat und einrichten durfte, keine Zahlung an den Gläubiger (mehr) leisten zu müssen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – X ZR 150/98, BGHZ 146, 217, 222 f. Temperaturwächter; Urteil vom 31. Juli 2008 – I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104 Rn. 36 = WRP 2008, 1532 – Haus & Grund II, jeweils mwN).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Beklagte hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls im Blick auf die Zahlungen an E. W. darauf eingerichtet und durfte sich auch darauf einrichten, wegen der Nutzung dieses Filmmaterials nicht auch noch von anderen Perso-nen auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden.

4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aber nicht ange-nommen werden, dass unter diesen Umständen sämtliche Ansprüche der Klä-

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ger auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt sind. Vielmehr sind allein die Ansprüche verwirkt, die auf Verletzungshandlungen beruhen, die in der Zeit bis zum 31. Dezember 2007 vorgenommen worden sind.

Verhält sich ein Rechtsinhaber gegenüber Zuwiderhandlungen gegen seine Rechte längere Zeit untätig, obwohl er den Verletzungstatbestand kannte oder doch kennen musste, können dadurch allenfalls diejenigen Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt werden, die bis zu einer Abmahnung des Verletzers durch den Rechtsinhaber entstanden waren. Nach einer Abmahnung durch den Verletzten muss der Verletzer wieder damit rech-nen, wegen künftiger Verletzungshandlungen auf Schadensersatz oder Berei-cherungsausgleich in Anspruch genommen zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1957 – I ZR 83/56, BGHZ 26, 52, 66 f. – Sherlock Holmes; BGHZ 67, 56, 67 – Schmalfilmrechte; vgl. auch OLG Hamburg, ZUM-RD 2002, 181, 200; Wild in Schricker/Loewenheim aaO § 97 UrhG Rn. 200; J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 102 UrhG Rn. 12). Danach sind im Streitfall jedenfalls diejenigen Ansprüche nicht verwirkt, die auf Verletzungs-handlungen gestützt sind, die nach der Abmahnung vom 31. August 2010 vor-genommen worden sind.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die hier in Rede stehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich gemäß § 102 Satz 1 UrhG, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegen und eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur noch unter ganz besonderen Umständen angenommen werden kann; dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch gerichtlich geltend macht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 20. Juli 2010, EnZR 23/09, NJW 2011, 212 – Stromnetznutzungsentgelt IV,

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mwN; Urteil vom 11. Oktober 2012, VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569; Urteil vom 29. Januar 2013 – EnZR 16/12, juris Rn. 13). Da hier keine besonderen Um-stände vorliegen, sind danach auch diejenigen Ansprüche nicht verwirkt, die zum Zeitpunkt der die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmenden Erhebung der Klage im Jahr 2011 nicht verjährt waren. Da die regelmäßige Ver-jährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläu-biger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, waren zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2011 diejenigen Ansprüche verjährt, die auf Verletzungshandlungen gestützt sind, die bis zum 31. Dezem-ber 2007 vorgenommen worden sind. Dagegen waren diejenigen Ansprüche, die auf Verletzungshandlungen gestützt sind, die seit dem 1. Januar 2008 vor-genommen worden sind, nicht verjährt und damit auch nicht verwirkt.

C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Kläger unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Anspruchs auf Aus-kunftserteilung (Antrag zu 2) und soweit es hinsichtlich der Ansprüche auf Wert-ersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3), die sich auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorge-nommen worden sind, zum Nachteil der Kläger erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Be-rufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da es noch weiterer Feststellungen insbesondere dazu bedarf, ob die von der Beklagten verwerteten Filme von H. E. angefertigt wurden und – gegebenenfalls – ob H. E. den Klägern die ausschließlichen Nut- zungsrechte an diesen Filmen einräumen konnte; ist dies der Fall, kann im Blick

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auf den Unterlassungsanspruch ferner zu klären sein, ob die Filmbilder noch urheberrechtlich geschützt sind.

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Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 20.05.2011 – 15 O 573/10 –

KG Berlin, Entscheidung vom 28.03.2012 – 24 U 81/11 –

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